Auch die Achillessehne lässt sich trainieren
Bekannt seit der Antike, macht sie auch heute noch vielen Sportlern zu schaffen. Schmerzen an der Achillessehne sind vor allem bei Läufern, Ballsportlern und Tennisspielern weit verbreitet. Wer sie hat, sollte schnell reagieren und wissen: Auch die Achillessehne lässt sich trainieren.
Ein unethisches Experiment
Wenn es heute um die Erprobung eines neuen Medikaments geht, entscheidet eine Ethikkommission darüber, ob Ärzte und Wissenschaftler Versuche an Menschen durchführen dürfen oder nicht. Da gibt es sehr strenge Auflagen. Das es eine solche Kommission in den 80er-Jahren in Finnland gab, darf bezweifelt werden. Schier unfassbar, was der Biomechaniker Paavo Komi mit gesunden Sportstudenten machen dürfte: Er ließ ihre Achillessehne chirurgisch freilegen, um mit Dehn-Messstreifen versehene Manschetten an ihnen zu befestigen. Dann ließ der skandinavische „Frankenstein“ die Wunde wieder vernähen und die Studenten mussten viele anstrengende sportliche Tests absolvieren. Die Messstreifen zeichneten alles auf und wurden einige Zeit später chirurgisch wieder entfernt.
Die erstaunlichen Ergebnisse des Horrorversuchs
Auch wenn die Versuche aus heutiger Sicht höchst umethisch waren, haben sie doch ein paar erstaunliche Erkenntnisse gebracht, von der viele Sportler heute profitieren:
- Anders als bis dahin vermutet, ist die Achillessehne kein starres Gebilde, sondern lässt sich sehr gut trainieren. Das gilt auch für andere Sehnen des Körpers. Die Reißkraft ist nicht genetisch vorgegeben.
- Die Belastung muss allerdings ausreichend hoch sein und 80 bis 90 Prozent der Maximalkraft betragen, damit sich ein Trainingseffekt zeigt. Wie man die Maximalkraft ermittelt, steht hier.
- Auf geringere Belastungen reagiert die Achillessehne nur unzureichend.
- Im Vergleich zur Muskulatur braucht die Achillessehne deutlich länger, bis sich Anpassungserscheinungen und das hat Auswirkungen auf das Training.
- Bei Intensitätssteigerungen ist unbedingt auch an die Sehnen zu denken.
Sehnen reagieren langsamer als Muskeln
Mittlerweile haben deutlich weniger invasive Versuche, die Ergebnisse der finnischen Studie bestätigt. Deshalb sollten Trainingsprogramme so aufgebaut werden, dass sie nicht nur die Anpassungserscheinungen der Muskeln berücksichtigen, sondern auch die der Sehnen. Das gilt übrigens für alle an einer sportlichen Belastung beteiligten Sehnen. Bei Bodybuildern beispielsweise reißt recht häufig die Bizepssehne, weil sie es hier mit dem Workout übertreiben. Doch hier geht es ja um die Achillessehne, die wie folgt aufgebaut ist:
- Sie ist zehn bis 15 Zentimeter lang und verbindet Fersenkeil und den dreiköpfigen Wadenmuskel.
- Sie überträgt die Kraft des Wadenmuskels auf die Füße.
- Möglich machen das Kollagenfasern, die wie Federn wirken. Sie können große Mengen an Energie speichern und wieder abgeben.
- Je stärker die Sehnen, desto größer auch der Wirkungsgrad der Muskulatur.
- Um sich vor dem zerreißen zu schützen, besitzt die Achillessehne spezielle Sensoren. Sie regeln die so genannten Lastspitzen der Muskeln bei kritischen Belastungsspitzen herunter. Sprich: je trainierter, desto weniger muss unterreguliert werden und umso leistungsstärker ist man.
Bei schmerzender Achillessehne können Sportschuhe schuld sein
Probleme mit der Achillessehne treten aber nicht nur durch sportliche Überlastung auf. Auch Fußfehlstellungen, abgelaufene oder falsche Schuhe, muskuläre Dysbalancen sowie Stoffwechselerkrankungen (Cholesterin lagert sich im Gewebe ab) können schuld sein. Das erste typische Symptom ist der Anlaufschmerz, entweder gleich morgens beim Aufstehen oder zu Beginn eines Trainings. Wer nicht schon jetzt gegensteuert, muss damit rechnen, dass es anfängt zu schmerzen. Das Gewebe fühlt sich deutlich wärmer an und es kommt zu Schwellungen. Weiter fortgeschritten bildet sich sogar ein kleiner Hückel. So weit sollte es aber niemand kommen lassen. Wer Schlimmeres verhindern will, sollte folgende Maßnahmen ergreifen:
- Vor einem jeden Training gilt es, sich gut aufzuwärmen. Die nachfolgende Belastung sollte den jeweils individuellen Fähigkeiten entsprechen. Wie gesagt: Muskeln reagieren schneller auf Trainingsreize als die Sehnen. Deshalb ist es wichtig, das Pensum langsam zu steigern.
- Bei leichten Beschwerden mit der Achillessehne gilt es, den Reiz weitestgehend auszuschalten. Das soll jetzt nicht heißen, die Füße hochzulegen. Nein, Bewegung ist nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht, allerdings bei deutlich niedrigerer Intensität. Die Sehne benötigt den leichten Zug, um schneller zu regenerieren. Kältereize und Wechselbäder können genauso helfen, wie Schuheinlagen, wenn diese dabei helfen, eine Fehlbelastung zu korrigieren. Hier ist dann der Rat eines guten Orthopäden gefragt.
- Regelmäßiges, aber vorsichtiges Dehnen der Wadenmuskulatur ist nachweislich sehr gut wirksam. Im Rahmen einer Physiotherapie ist eine so genannte Friktionsbehandlung besonders erfolgreich. Ebenso Ultraschall oder eine Stoßwellentherapie.
Spezielles Wipptraining hilft bei Beschwerden
Der Mediziner Professor Karsten Knobloch von der Medizinischen Hochschule Hannover hat zudem ein einfaches Wipptraining entwickelt. Dieses hat sich in einer Studie mit 66 Probanden als äußerst wirksam erwiesen. Es geht ganz einfach: Du stellst dich täglich mehrmals mit dem Fußballen barfuß oder in Socken auf den Rand einer Treppenstufe. Dann drückst du dich 15 mal auf die Zehenspitzen nach oben, hältst zwei Sekunden und senkst wieder ab, wobei die Ferse dann bis unter die Horizontale der Treppenstufe geht. Nach einer Pause von 30 Sekunden wiederholst du die Übung. Die Studie hat gezeigt, dass dieses Wipptraining die Blutzirkulation im entzündeten Bereich und die Schmerzen wirksam bekämpft. Die Übung eignet sich zudem sehr gut zur Prophylaxe.
Die Reha nach einem Riss dauert vier bis sechs Monate
Sollte es trotz aller Vorsichtsmaßnahme doch zu einer Ruptur kommen, ist eine OP nötig. Ein Riss ist übrigens meist deutlich als peitschenähnlicher Knall zu hören. Ich selbst habe das mal bei einem Hürdenläufer mitbekommen und das furchtbare Geräusch habe ich immer noch im Kopf. Bei der Untersuchung ertastet der Arzt eine meist zwei bis sechs Zentimeter lange Lücke im unteren Wadenbereich. Bei dem Eingriff adaptiert der Chirurg die Sehnenstümpfe, näht sie zusammen und verklebt sie. Wichtig ist dann eine intensive Nachbehandlung. Wenn diese gut läuft, ist man als Sportler nach vier bis sechs Monaten wieder einsatzbereit.
Hinweis. Dieser Artikel ist gründlich recherchiert, kann aber natürlich keinen Arztbesuch ersetzen