Ab wann leide ich unter Sportsucht?
Die meisten Menschen treiben zu wenig Sport. Die Bewegungsbudgets in den westlichen Industrieländern haben sich in den letzten drei Jahrzehnten deutlich reduziert. Zum Schaden der Gesundheit. Doch es gibt auch den gegenteiligen Effekt. Menschen die zu viel Sport treiben und unter Sportsucht leiden. Doch ab wann ist das gefährlich?
Wer meint Sport machen zu müssen, ist gefährdet
Sie beginnen ihren Tag nicht mit dem Frühstück, sondern mit Situps oder Liegestützen. In der Mittagspause gönnen sich keinen Lunch, sondern drehen lieber laufend ein paar Runden um den Block. Und abends schauen sie nicht die neueste Serie auf Netflix, sondern quälen sich im Fitnessstudio. Wie viele Menschen unter Sportsucht leiden ist nicht genau bekannt. Besonders häufig betroffen aber sind Untersuchungen zufolge Läufer, Fitnessstudio-Besucher, Kraftsportler und Bodybuilder. Sie haben alle eines gemeinsam: Sie treiben den Sport nicht, weil er ihnen Spaß macht, sondern weil sie glauben es unbedingt zu müssen.
Ist der Sport wichtiger als alles andere?
Wie bei anderen Suchtkranken auch, kommt es zu Besonderheiten: Der Sport ist wichtiger als alles andere. Wichtiger als der Beruf, die Familie und Freunde. Psychologen glauben, dass Süchtige nur im Sport die Möglichkeit sehen ihre Konflikte zu bewältigen. Weitere Symptome sind Entzugserscheinungen mit erhöhter Reizbarkeit, Depressionen und Ängstlichkeit sowie ein Gefühl der Fremdbestimmtheit und des zwanghaften Handelns. Das kann bis zum kompletten Kontrollverlust gehen. Betroffen möchten zwar die sportliche Aktivität reduzieren, scheitern damit aber regelmäßig. Dabei schädigen sie sich nicht nur seelisch, sondern auch körperlich. Sie gehen meist über ihre Leistungsgrenzen hinaus und ignorieren Schmerzen und Verletzungen.
Welche Rolle spielen Hormone?
Es gibt noch keine einheitliche Diagnose. Auch Psychologen wissen noch nicht genau, wie es zu Sportsucht kommt. Diskutiert wird eine immer stärkere Bindung an den Sport, vor allem um Stress abzubauen und das Selbstwertgefühl zu stärken. Fest steht, dass es zu hormonellen Veränderungen kommt. Der Körper schüttet vermehrt Endorphine und Dopamin aus. Das macht gute Gefühle. Diese bleiben aber nur erhalten, wenn man das Trainingspensum stetig erhöht. Das alles verselbständigt sich dann und die Sucht ist da.
Verhindern kann das ein strukturierter Trainingsplan
Psychologen raten dazu sich professionelle Hilfe zu suchen. Im Rahmen einer Gesprächs- und Verhaltenstherapie geht es darum, Alternativen zu entwicklen und die Kontrolle über das Training zurückzuerlangen. Wichtig ist ein strukturierter Trainingsplan mit vielseitigen Übungen und ausreichend langen Erholungsphasen. Die gute Nachricht: Ein kompletter Sportverzicht ist wohl nicht nötig.
Tipp: Hilfesuchende können sich an das gemeinnützige Projekt „Arztphobie“ wenden. Dort beraten Experten auch zum Thema Sportsucht. Hier der Link mit allen Informationen.
Wann leide ich unter Sportsucht?
Für alle, die sich selbst einmal überprüfen möchten, hat Professor Karl-Jürgen Bär vom Uniklinikum Jena einen Katalog erstellt. Wenn mehrere der folgenden Aussagen zutreffen, kann es sich um eine behandlungsbedürftige Sportsucht handeln:
- Deinem Umfeld erzählen Du nicht, dass Du so viel Sport treibst.
- Du ignorierst Warnzeichen des Körpers wie Schmerzen, Erschöpfung, Fieber und Stressfrakturen.
- Ein Pensum von 100 km Laufen oder 400 km Radfahren pro Woche hältst Du für normal und steigerungswürdig.
- Manche Sportarten, wie etwa „normales“ Radfahren, stufst Du gar erst als Sport ein.
- Du meldest Dich in mehreren Fitnessstudios an, um jederzeit trainieren zu können.
- Keinen oder wenig Sport treiben zu können empfindest Du als Strafe und Du hast Entzugserscheinungen.
- Du vernachlässigst soziale Kontakte.
- Es ist normal für Dich extra früh aufzustehen, um vor der Arbeit noch Sport treiben zu können.
- Wenn Du Deine Hauptsportart wegen Schmerzen oder Verletzungen nicht betreiben kannst, weichst Du auf eine andere aus, um Dein Pensum zu erfüllen.
- Du treibst Sport, um eine positive Stimmung aufrechtzuerhalten.
Hinweis: Der Artikel ist gründlich recherchiert, kann aber natürlich keinen Arztbesuch ersetzen