Schneller regenerieren – was funktioniert und was nicht?
Das Prinzip für erfolgreiches Training lautet: Du musst dich systematisch schwächen, um stärker zu werden. Doch nicht nur die Belastung, auch die Erholung spielt eine wichtige Rolle. Superkompensation nennt sich dieses Prinzip. Eine große Studie hat ermittelt, welche Maßnahmen dich schneller regenerieren lassen.
Welche Maßnahmen lassen schneller regenerieren?
Die meisten mögen es gar nicht. Kaum einer, der sich nach einem anstrengenden Training nicht am liebsten gleich unter die Dusche stellt. Doch viele Trainer pochen darauf, sich noch etwas Zeit zu nehmen. Nachbereitung des Trainings nennt sich das Ganze. Es soll sich positiv auf den Körper auswirken und die Regenerationszeit verkürzen. Tatsächlich gibt es viele Maßnahmen, die einen schneller regenerieren lassen. Doch nicht alles hilft gleich gut. In einem Forschungsprojekt namens REGman – das steht für Regenerationsmanagement – hat das Bundesinstitut für Sportwissenschaft folgende Maßnahmen genauer unter die Lupe genommen:
- aktive Erholung durch Auslaufen, Ausradeln oder Ausschwimmen
- Hydrotherapie – dazu zählen Eisbäder, Entmüdungsbecken oder so genannte Kontrastbäder
- Kompressionskleidung
- Sportmassagen
- Faszienrolle
- Musik
Was wirklich hilft bei der Regeneration?
Wer sich gut mit den Funktionen seines Körpers auskennt, weiß, was bei einer ausreichend intensiven Belastung im Inneren vor sich geht: Die Glykogenspeicher leeren sich, es kommt zu gewollten Mikroverletzungen in der Muskulatur und die mechanischen Eigenschaften lassen spürbar nach. Das Zusammenspiel von Nerv und Muskeln funktioniert mit fortlaufender Ermüdung nicht mehr so gut, das Herz-Kreislaufsystem ermüdet und das Hormonsystem fährt die Leistung ebenfalls herunter. Möglicherweise leiden auch Bindegewebe, Bänder, Sehnen und Knochen. Hier fehlt es allerdings noch an gesicherten Informationen. Alles zusammen genommen, spricht man in diesem Zusammenhang von Erschöpfung. Um herauszufinden, welche regenerativen Maßnahmen bei welchen sportlichen Belastungen am besten sind, haben die Wissenschaftler folgende Parameter untersucht:
- Blutanalysen: Den Probanden bekamen in unterschiedlichen zeitlichen Abständen nach dem Training Blut abgenommen. Gemessen wurden die Werte, die bei der Ermüdung eine wichtige Rolle spielen. Dazu gehören die Creatinkinasewerte (gibt Aufschluss über den Energiestoffwechsel in der Muskelzelle), Harnstoff (kann anzeigen, wie schnell sich die Glykogenspeicher wieder füllen), freies Testosteron und Cortisol (die Konzentration beider Hormone ist ebenfalls ein wichtiger Indikator für die Erholungsfähigkeit)
- Psychometrie: Die Probanden mussten einen speziellen Fragebogen ausfüllen, der die jeweils letzten drei Tage genau unter die Lupe nimmt. Anhand der Daten haben die Wissenschaftler dann ein Erholungsverlaufsprotokoll erstellt.
- Physiologische Messverfahren: Hier haben die Wissenschaftler die so genannte Herzfrequenzvariabilität ermittelt. Sie beschreibt die Änderung der Abstände zwischen jeweils zwei Herzschlägen. Gesteuert vom vegetativen Nervensystem zeigt eine starke Variation an, dass die Erholung gut funktioniert. Funktioniert die Feinsteuerung nicht, weist das auf Probleme hin. Außerdem wurde ermittelt, wie schnell sich das Herz nach einer intensiven Belastung erholt.
- Tensiomygraphie: Dabei handelt es sich um die Muskelkontraktilität. Das Verfahren ist nicht invasiv. Mittels elektrischer Stimulation ist es möglich verschiedene Formen der Muskelkontraktion zu untersuchen.
Mit Hightech-Verfahren untersucht
Die Wissenschaftler haben mit modernsten Verfahren die einzelnen Regenerationsmaßnahmen akribisch untersucht und waren so in der Lage, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu gewinnen. Zu den Probanden gehörten Kraftsportler, Volleyballspieler, Tennisspieler, Halbmarathonläufer und Sportstudenten. Hier die Ergebnisse:
Schneller regenerieren durch aktive Erholung?
Bei der aktiven Erholung sollte es sich um eine rein aerobe Belastung handelt. Dazu zählen 10 bis 15 Minuten sehr langsames auslaufen, ausschwimmen oder ausradeln. Ziel dieser Maßnahme ist es, alle Funktionen und Abläufe im Körper wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Der Fachbegriff dafür lautet Homöostase. Außerdem soll der Transport regenerationsfördernder Wirkstoff angeregt werden. Dazu zählen Vitamine, Elektrolyte und Spurenelemente. Schon seit Jahrzehnten gilt die aktive Erholung als tolle Maßnahme zur schnelleren Regeneration. Doch die Ergebnisse haben überrascht:
- Die aktive Erholung baut angefallenes Laktat schneller ab und auch der pH-Wert normalisiert sich zügiger. Doch das waren die einzigen positiven Effekte.
- Die wichtige Wiedereinlagerung des Muskelglykogens dauert länger und auf die Muskelleistung hatte Auslaufen und Co. keinen Einfluss.
- Fazit: Wer sich direkt nach dem Training unter die Dusche stellt, macht weniger falsch als bislang gedacht. Es kommt ganz auch dich selbst an. Finde heraus, was dir gut tut.
Schneller regenerieren mit Eisbad?
Wer die Dokumentation über Usain Bolt gesehen hat, weiß, dass er regelmäßig nach einem Training in eine mit Eiswürfeln gefüllte Badewanne gestiegen ist. Bei ihm mag das funktioniert haben. Allerdings profitiert nicht jeder davon. Bei Kraftsportlern zeigten sich in Zusammenhang mit der RAGman-Studie keine positiven Effekte. Manche reagierten sogar negativ. So verschlechterte sich beispielsweise die Schnellkraftleistung. Wer es trotzdem ausprobieren möchte, sollte es richtig machen: Ideal sind zehn Minuten bei 12 bis 15 Grad Wassertemperatur. Die Ganzkörperanwendung scheint effektiver als die Kälteanwendung nur einzelner Körperpartien.
Schneller regenerieren durch Stretching
Stretching galt lange als das Nonplusultra in Sachen Regeneration. Was erstaunlich ist, denn bis heute gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis für einen positiven Effekt. Weder durch aktiv- noch durch passiv-statisches Stretching reduziert sich die Muskelspannung. Es kommt auch nicht zu einer beschleunigten Wiederherstellung der muskulären Leistungsfähigkeit, etwa nach einem intensiven Krafttraining. Aber es schadet auch nicht weiter. Rat der RAGmen-Wissenschaftler: Wenn überhaupt, dann sollte nach einer hochintensiven Belastung nur sehr sanft nachgedehnt werden. Schmerzende Muskeln sollte man gar nicht dehnen.
Schneller regenerieren mit Kompressionskleidung?
Kompressionskleidung ist seit einiger Zeit der letzte Schrei. Die bunten Strümpfe und Oberteile sind vor allen bei Läufern sehr beliebt. Die Studienlage dazu ist nicht ganz eindeutig. Kompressionskleidung scheint aber tatsächlich in der Lage zu sein, das Auftreten von Muskelschmerzen nach einer großen Belastung zu reduzieren. Der Grund: es bildet sich weniger Creatinkinase im Muskel. Die Glukoseaufnahme wird aber nicht gesteigert. Die RAGman-Studie hat gezeigt, dass sich der subjektive Erholungszustand der Athleten bei einer mittelhohen Kompression von 10mmHG ein wenig verbessert.
Schneller regenerieren durch eine Sportmassage?
Etwa drei Viertel aller Spitzensportler lassen sich nach dem Training für zehn bis 30 Minuten massieren. Neben der klassischen Massage (Kneten, Pressen, Friktion) kommen dabei auch Unterwasserdüsen- und Vibrationsmassagen zum Einsatz. Mehrere Studien in den letzten Jahren haben gezeigt, dass sich die regenerative Wirkung allerdings in Grenzen hält. Die größten Effekte erzielen kurze Massagen von etwa 10 Minuten. Sportler profitieren vor allem nach einem intensiven Kraft- und Koordinationstraining von der Kneterei. Vibrations-und Unterwasserdüsenmassagen waren der herkömmlichen Sportmassage dabei unterlegen. Rat der Experten: Wer Massagen gut verträgt und die Möglichkeit hat, eine solche zu bekommen, sollte sie nutzen.
Schneller regenerieren mit der Faszienrolle?
Das Thema Faszien füllt mittlerweile ganze Bücherregale. Zudem gibt es viele unterschiedliche Produkte mit dem das so genannte Foam-Rolling durchgeführt werden kann. 30 bis 60 Sekunden pro Muskelgruppe gelten dabei als ideal. Tatsächlich kommt es zu einem gesteigerten Blutfluss und auch Entzündungen können vorgebeugt werden. Die Studienlage ist positiv. Die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen bescheinigen positive Effekte. Auch die REGman-Wissenschaftler geben grünes Licht.
Schneller regenerieren mit Musik?
Kleine und große Kopfhörer sind im Spitzensport allgegenwärtig. Sportler pushen sich mit Musik auf, können sie aber auch gezielt zur Regeneration einsetzen. Studien haben den positiven Einfluss von Musik auf die Regeneration nach sportlicher Belastung eindeutig nachweisen können. Sogar die Blutlakatwerte sinken mit Musik schneller als ohne. Das Herz erholt sich zügiger, die Herzfrequenzvariabilität verbessert sich, die Atmung profitiert, die Muskelspannung lässt nach und auch eventuelle Muskelschmerzen gehen zurück. Bei der Auswahl der Musik sollte jeder Sportler selbst entscheiden.